Alle reden von Artificial Intelligence
Um AI gibt es einen regelrechten Hype: Die Erwartungen sind enorm, die Ziele oft vage, konkrete Lösungen noch selten. In Gartners „Hype Cycle for Emerging Technologies“ vom August 2017 lag Artificial Intelligence – vertreten durch Deep Learning und Machine Learning (ML) – ganz an der Spitze der Hype-Kurve. Wie es weitergeht, ist klar: bergab. Überzogene Hoffnungen werden enttäuscht, bevor die neue Technologie dann letztlich Einzug in den Alltag findet. Bei Deep Learning und ML wird dies laut Gartner zwei bis fünf Jahre dauern, bei AI-basierten Virtual Assistants fünf bis zehn. Aber AI wird kommen.
Woher also die Enttäuschung? Heute herrscht oft die Erwartung vor, man könne Artificial Intelligence als Produkt kaufen, und plötzlich funktioniere alles viel besser. Doch künstliche Intelligenz wird nicht auf dem Silbertablett serviert: Auch der AI-Einsatz erfordert Planung, Budget und Organisation, Unternehmen müssen geeignetes Personal finden, und die Implementierung wird – wie immer in der IT – Zeit und Nerven kosten.
Zunächst aber ist zu klären, wo Artificial Intelligence überhaupt nützt. ITSM bietet gleich mehrere Anknüpfungspunkte. Sie reichen vom First Level Support über das Asset- und Problem Management bis hin zur Prozessoptimierung.
Artificial Intelligence als Kollege im Service Desk
Viele kennen Artificial Intelligence aus dem privaten Umfeld. Virtuelle Assistenten wie Alexa, Siri oder Google Home beantworten auf Zuruf Fragen oder stoßen einfache Aktionen an. So versteht es sich fast von selbst, dass Artificial Intelligence an der Schnittstelle zwischen Endanwender und Service Management große Vorteile bietet: beim First Level Support. Dank Microsofts Bot Framework lässt sich solche Funktionalität in Service-Desk-Lösungen integrieren. Mit Chatbots und Virtual Agents kann eine IT-Organisation die Annahme von Trouble Tickets vollständig digitalisieren – sogar bis hin zur Störungsbehebung.
Ein Beispiel: Erhält ein Anwender eine unerklärliche Fehlermeldung, hilft AI-gestützte Bilderkennung bei der schnellen Behebung des Incidents. Ein Chatbot fordert den Anrufer auf, einen Screenshot des Fehlers zu senden; die Service-Management-Lösung analysiert den Screenshot mittels AI, erkennt den Fehler, füllt das Ticket aus und leitet es weiter. Die Software trackt die Incidents, und nach mehrmaliger deckungsgleicher Fehlerbehebung schickt sie dem nächsten Anrufer automatisch den Link zum passenden Knowledge-Base-Artikel zur Selbsthilfe auf sein Smartphone.
Integration ist der Schlüssel
In beiden Fällen ist die Einbindung der AI in das Service- und Workspace Management elementar: Dank Integration in das Active Directory, die ITSM-Lösung, die Knowledge Base und die CMDB kennt die AI-Software die Rolle des Endanwenders, seine IT-Ausstattung und Lösungswege. Bei Zugriff auf das Projekt-Management-Tool weiß sie sogar, ob der Anrufer in der heißen Phase eines Projekts steckt und deshalb priorisiert zu bearbeiten ist. Dies sorgt für kundenfreundliche Abläufe sowie zeit- und kostensparende Prozessautomation.
Doch virtuelle Agenten bringen bei Routine-Incidents noch weitere Vorteile. Mitarbeiter im First Level Support müssen selbst angesichts verärgerter oder gestresster Kunden stets freundlich bleiben – für Alexa und Co. kein Problem. Die Technik ist zudem längst so ausgereift, dass ein Virtual Agent sogar die Stimmung des Kunden an dessen Stimme erkennt. Und so den wütenden Vorstand gleich zum Second Level Support durchstellen kann.
Für den Service Desk bedeutet dies: Virtual Agents werden als vorgeschaltete Support-Instanzen helfen, zeitraubende Routinefälle zu automatisieren. So kann sich das IT Team besser um das anspruchsvollere Exception Handling kümmern. Denn AI wird die Support-Kollegen aus Fleisch und Blut bis auf weiteres nicht ersetzen, sondern bestenfalls ergänzen. Komplexe Problemfälle erfordern Intuition, soziale Kompetenz und Wissen um den Geschäftskontext – da stößt AI an Grenzen.
Hinter den Kulissen
Ihre Stärken kann Artificial Intelligence „hinter den Kulissen“ erst so richtig ausspielen. So vereinfacht z. B. Machine Learning zusammen mit Big-Data-Analysen die Inventarisierung, das Asset- und das Configuration Management. ML-Tools erlernen in Massendatenbeständen schnell die Zusammenhänge zwischen Assets, Usern und Services. Selbst wenn diese in den diversen Datentöpfen nicht identisch, sondern nur ähnlich bezeichnet sind (z. B. mal „Office365“, mal „Microsoft Office 365“). Denn AI kann mit semantischer Unschärfe umgehen und ist – anders als die klassische Schlagwortsuche – nicht auf identische Begriffe angewiesen. So kann man Assets automatisch einem Service oder einer Applikation zuordnen (Application Dependency Mapping, ADM), analysieren und visualisieren. ADM ist heute noch sehr kostspielig; ein ML-gestütztes Service Management wird künftig automatisiert generierte Service Maps auch dem Mittelstand zugänglich machen – sogar inklusive extern bezogener (Cloud-)Dienste samt Tracking der Service-Nutzung.
Mittelfristig wird Artificial Intelligence das Problem Management beschleunigen: Bei wiederkehrenden Fehlern können ML-Tools die Ursachenforschung erleichtern, also z. B. bei gehäuften Störungen in einem Bürotrakt erschließen, dass der Etagen-Switch ausgefallen ist. Bei Bedarf kann ML-Software das Internet nach Lösungsvorschlägen absuchen – und wiederum in unterschiedlichsten Knowledge Base Lösungen finden, selbst wenn die Beschreibungen variieren. Die Lösungswege ordnet das ML-gestützte Service Management dann automatisiert dem Trouble Ticket zu.
Letztlich berührt Artificial Intelligence sogar den Kern der IT und des Business: die Prozesse. Schon heute kann eine Fachabteilung mittels BPMN (Business Process Model and Notation) und einem Tool wie Matrix42 Workflow Studio bequem neue Workflows erstellen. Die Lösung übersetzt sie dann automatisch in konkrete Konfigurationen. Künftig wird es mittels einer AI-Instanz möglich sein, diese individuellen Abläufe zu analysieren und dynamisch zu optimieren. Artificial Intelligence vergleicht dazu die neuen Workflows und Prozesse selbsttätig mit bestehenden Best Practices. So deckt sie Prozessfehler auf, um die IT-Prozesse schneller, effizienter und kostengünstiger zu machen.
Nicht nur auf Artificial Intelligence setzen
Zukünftig wird Artificial Intelligence einen enormen Effizienzsprung bringen – im ITSM wie auch generell beim Management digital transformierter Geschäftsprozesse. Insbesondere bei der Analyse von Massendaten wird Artificial Intelligence ihre Stärken ausspielen. Dabei hat der AI-Einsatz jedoch, wie oben beschrieben, seine Grenzen, wenn es um Kenntnis des Kontexts außerhalb der Massendaten und um soziale oder Business-Aspekte geht.
Deshalb zu guter Letzt ein Tipp: Setzen Sie nicht allein auf Artificial Intelligence! Matrix42 Pilotkunden-Projekte haben gezeigt, dass Alexa weder in Großraumbüros noch in Einzelbüros am nachhaltigsten genutzt wird, sondern in Konferenzräumen. Immer wieder bereitet die Präsentationstechnik Probleme, deren Lösung man dann gern per Alexa anfordert – muss man aber nicht! Denn die IT kann heute schon mittels der ihnen zur Verfügung stehenden Daten problemlos ermitteln. Z. B. nach welcher Nutzungsdauer eine bestimmte Beamer-Glühbirnen den Dienst versagen wird. Das kann bereits mit Bordmitteln eines ordentlichen Service- und Asset Management passieren. Das kostet weder viel Zeit noch viel Geld, und die Teambesprechung des Vertriebs kann dann ebenso ungestört stattfinden wie die Vorstandssitzung. Für viele solcher sofort wirkungsvollen Verbesserungsmaßnahmen braucht man weder Predictive Maintenance noch Artificial Intelligence. Nur die inventarisierten Daten und ein wenig Kreativität.